Rezensionen

Der Weg des Glücks in die Politik

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Petra Pinzler sieht die Politik vor eine neue Herausforderung gestellt, eine grundlegend neue Aufgabe, die ihrem Handeln gleichzeitig als Maxime zugrunde liegen soll: Macht die Bürger glücklich!

In ihrem Buch „Immer mehr ist nicht genug! Vom Wachstumswahn zum Bruttosozialglück“ kritisiert die Redakteurin der Wochenzeitung „Die Zeit unser auf stetiges Wachstum ausgerichtetes Gesellschaftsmodell. Neben dem Aufzeigen der natürlichen Grenzen, die dieses Wachstum aufgrund von begrenzten Ressourcen hat, macht sie vorrangig auf Basis aktueller Erkenntnisse der Glücksforschung deutlich, dass durch Wachstum die Zufriedenheit und das Glück der Menschen nicht automatisch und stetig gesteigert werden kann. Von der Tatsache, dass es neben subjektiven Faktoren auch objektive Faktoren für Glück gibt, wie z.B. Bildung, Gesundheit, Gerechtigkeit und Umwelt, leitet die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin und Politologin eine neue Grundorientierung für die Politik ab, nach der sich das politische Handeln nicht länger am „Wachstumswahn“, sondern an der Steigerung vom „Bruttosozialglück“ orientieren soll.

Mit dieser Forderung liefert Petra Pinzler die Grundlage für eine kontroverse Diskussion über die Rolle der Politik in Deutschland, die an verschiedenen Punkten ansetzen kann. Drei Punkte werden im Folgenden erläutert:

  1. Die Frage, ob Politiker Verantwortung für das Glück eines Einzelnen übernehmen und hierdurch in einen sehr intimen und privaten Bereich der Bürger vordringen sollten, stellt ein äußerst emotionales Thema dar, das bei vielen Menschen eine spontane Abwehrhaltung hervorruft. Einer solchen Reaktion ist sich die Autorin aber durchaus bewusst und stellt daher in dem Kapitel „Über Glück und Freiheit: Warum wir sofort argwöhnisch werden, wenn uns Politiker glücklich machen sollen“ aktuelle Erkenntnisse der Glücksforschung vor, die eine Erklärung für ihre Forderung liefern und diese untermauern. Ob eine über Generationen geformte Einstellung zur Rolle der Politik hierdurch allerdings schnell verändert werden kann, bleibt abzuwarten.
  2. Des Weiteren ist zu diskutieren, ob sich eine Gesellschaft erneuern sollte, indem die Politiker „von oben“ einen neuen Weg einschlagen, wie in dem Buch durch Appelle an ein Umdenken in der Politik gefordert wird. Vielmehr erscheint es naheliegend, dass eine solche Erneuerung aus den Reihen der Bürger erwachsen muss, um langfristige gesellschaftliche Tragfähigkeit zu erlangen. Wie Petra Pinzler zudem in einer Analyse der aktuellen Ausrichtung der verschiedenen Parteien selbst aufzeigt, verweigern Politiker solch ein Umdenken von oben aus Angst vor dem Verlust von Wählerstimmen.
  3. Ein dritter kritisch zu betrachtender Aspekt bezieht sich auf den Vorschlag eines neuen Indikators, an dem sich die Politik ausrichten soll: dem Bruttosozialglück. Auch wenn es neben subjektiven auch objektive Glücksfaktoren gibt, ändert dies nichts an der Tatsache, dass die eigentliche Wahrnehmung von Glücksempfindungen per se subjektiv ist. So beeinflusst beispielsweise eine nicht intakte Umwelt die Lebensqualität eines Umweltaktivisten weitaus mehr als die eines Stubenhockers. Zudem kann sich eine solche individuelle Wahrnehmung im Laufe des Lebens ändern. Aus diesen Gründen ist es zweifelhaft, ob eine solch subjektive Momentaufnahme als Maßstab für unser politisches System genutzt werden sollte.

Im Rahmen der Diskussion um eine Postwachstumsgesellschaft nutzt Petra Pinzler insgesamt einen positiveren Ansatz als einige ihrer Kolleginnen und Kollegen, um die Menschen zu einem gesellschaftlichen Umdenken zu bewegen. Anstatt einschränkende Folgen einer solchen neuen Gesellschaftsform zu erläutern, stellt sie die Vorteile einer Postwachstumsgesellschaft in Form eines erhöhten Glücksempfindens heraus. Welchen Leser Petra Pinzler von ihrer Idee von einer neuen Rolle der Politik letztendlich überzeugen kann, wird aber wohl stark von den persönlichen Vorstellungen des Einzelnen bezüglich der Aufgaben der Politik abhängen.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Seminars „Postwachstumsökonomie“ an der Universität Witten/Herdecke in Zusammenarbeit mit dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.

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