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Die erste Herausforderung: über den „aufgeklärten Egoismus“ hinauswachsen

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logo-stream-72-dpi-150pxInterview mit Jonathan Klodt von der  Initiative LebensLernOrte

LebensLernOrte ist ein von der Sinn-Stiftung initiiertes und mit Partnern getragenes Netzwerk. Sein Ziel ist es, Menschen mit Erfahrungsräumen ‚gelebter Zukunft‘ in Verbindung zu bringen und Lernprozesse zu begleiten. Jonathan Klodt arbeitet als Koordinator des Netzwerks und hat uns ein Interview gegeben, das fiktiv im Jahre 2030, einer vorgestellten Zeit jenseits des Wachstums, stattfindet.

Stellen Sie sich vor, wir erleben eine Zeit „des guten Lebens“ jenseits des Wachstums. Blicken wir dann, sagen wir im Jahre 2030, auf die vergangenen Jahrzehnte zurück:

Inwiefern war die Gesellschaft wachstumsabhängig?

Die Fortschritte in Technologie und Wissenschaft seit der Aufklärung haben mit ihren Errungenschaften einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung unserer Zivilisation geleistet. Aber sie haben auch ein sich selbst erhaltendes System erschaffen, dass nicht über hinreichende Rückkopplungsmechanismen verfügt hat, um sich aus sich selbst heraus zu erneuern. Somit war Wachstum zu einem Stück Selbstzweck geworden.

Welche waren die Hindernisse, die einer Wachstumswende im Wege standen?

Im ersten Schritt ging es um Selbstermächtigung: Verantwortung für das zu übernehmen, was mir wirklich wichtig ist, ohne darauf zu warten, die Erlaubnis oder die Aufforderung zu erhalten, aktiv zu werden. Diese Macht anzunehmen war für viele eine durch Konditionierung ungewohnte Erfahrung: Ich bin verantwortlich, nicht meine Regierung, Eltern, Lehrer, Führer. Die nächste Herausforderung war dann, aus diesem „aufgeklärten Egoismus“ wieder ein gemeinsames Ganzes zu formen. Wie können wir kollektiv Führung übernehmen und dabei hinreichend Raum für individuelle Impulse und Entfaltung lassen?

Welchen Beitrag haben Sie für eine Gesellschaft jenseits des Wachstums geleistet?

Mein Anliegen war, in unterschiedlichen Lebensbereichen eine neue Kultur zu unterstützen, die auf Transparenz, Mut, Ehrlichkeit und Bewusstsein basiert. Angefangen bei uns selbst bis hin zur Führungs- und Unternehmenskultur waren die Art des Miteinanders nur wenig lebensdienlich; Viele merkten, dass es so einfach nicht weitergeht. Meine Überzeugung war und ist, dass wenn wir unseren Umgang und unser In-Beziehung-Treten mit der Welt ändern, sich automatisch unsere Handlungen an dem ausrichten, was wirklich wichtig und zukunftstauglich ist.

Was macht für Sie das „gute Leben“ innerhalb einer Gesellschaft mit bewusst geringem Produktions- und Konsumniveau aus?

Wenn ich mit der Welt auf eine neue Art in Beziehung trete, dann verändern sich meine Perspektive und meine Bedürfnisse. Ein gutes Leben definiert sich dann nicht mehr über einen Besitzstand, der über die materiellen Grundbedürfnisse hinausgeht. Vielmehr bedeutet ein gutes Leben dann für mich, ein Leben in Verbundenheit zu führen, mich als Teil etwas größeren Ganzen wahrzunehmen: Einer Beziehung, einer Gemeinschaft, eines kosmischen Prozesses, der alles und jeden einschließt.

Welche Anzeichen für eine Welt jenseits des Wachstums gab es schon 2013?

Bereits in 2013 waren zahlreiche Menschen dabei, ihr Leben an etwas Neuem (teilweise auch bereits Dagewesenen) auszurichten und genau diese umfassende Verbundenheit mehr und mehr zu erahnen. Teilweise unbeholfen, teilweise sehr erfolgreich machten sich Initiativen und Gemeinschaften auf den Weg, von und miteinander zu lernen, wie wir von einem anderen inneren Ort heraus handeln können. Und diese Initiativen, in all ihrer Unterschiedlichkeit, erkannten bereits damals, dass sie Teil einer globalen Bewegung sind, die weit über den eigenen Einflussbereich hinauswirkt, was Ihnen die nötige Inspiration und Kraft gegeben hat.

Vielen Dank für das Interview!

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