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„Immer mehr ist nicht genug!“

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„Immer mehr ist nicht genug!“ Petra Pinzler schreibt ein Buch mit einem emotionalen Titel. Um gleich einen Untertitel hinzuzufügen, der rational und konkreter erscheint: „Vom Wachstumswahn zum Bruttosozialglück“.

Der emotionale Titel trifft den Zeitgeist jener Gesellschaftskreise, die das unbehagliche Bauchgefühl über unsere „Immer mehr“-Gegenwart teilen. Der Autorin gelingt es, dieses Gefühl beim Leser des Buches deutlich zu verstärken. Nach der Darlegung der Erkenntnisse der Glücksforschung drängt sich der Eindruck auf – unendliches Wachstum macht nicht glücklicher.

Die Autorin entwickelt deshalb einen neuen Auftrag für unsere Politiker: „Macht uns glücklich!“ (anstatt „Sorgt für Wachstum“). Dies ist eine provokante Idee, haben doch in der Vergangenheit eher totalitäre Regierungen versucht, des Bürgers Glückes Schmied zu werden. Petra Pinzler erkennt dies an, sieht jedoch die Legitimität durch die Art und Weise der Ausführung gegeben. Der Staat soll nämlich durch Befragung der Bürger glücksschaffende Rahmenbedingungen entwickeln.

Allerdings lässt Frau Pinzler die entscheidenden Punkte unbeantwortet: Können Bürger auf Fragen Antworten geben, die sich in umsetzbare Konzepte umwandeln lassen? Man denke nur an Antworten wie „mehr Geld“, „mehr Freizeit“ oder „ein großes Haus“. Es drängt sich hier die Frage auf, ob nicht eine Verknüpfung der Fragen mit Konzepten notwendig ist. Nur darüber kann anschließend sinnvoll abgestimmt werden. Doch scheinen genau diesen Weg die Parteien heute bereits zu gehen, wenn sie mit ihrem Wahlprogramm die Bürger fragen, ob sie ihnen ihre Stimme schenken. Was ist daran dann neu? Zusätzlich führt ein solch anderer Politikerauftrag zu einer Übertragung der Werte- und Lebensvorstellungen der Regierenden, unter dem Deckmantel des „Glücksprinzips“, auf Andere. Ein neuer Auftrag hat also einige Fallstricke, die die Autorin zu wenig beleuchtet.

Der Untertitel des Buches heißt schließlich „Vom Wachstumswahn zum Bruttosozialglück“. Dies lässt auf konkrete Beispiele oder Erläuterungen hoffen, wie eine Transformation zu einem neuen Ziel gelingen kann. Frau Pinzlers Buch liest sich hier jedoch wie ihre eigene Suche nach Antworten. Sie gibt dabei Einblick in die politischen Parteien und zeigt deren Gründe auf, sich nicht vom Wachstumswahn zu verabschieden. Sie argumentiert, dass Politik Verteilung nur über Wachstum leicht gestalten kann, ohne sich dem harten Weg der Umverteilung zu stellen.

Über die Situationsbeschreibung des politischen Wachstumswahns kommt die Autorin dabei jedoch nicht hinaus. Auf ihrer Suche nach Antworten streift sie schließlich die Werke anderer Autoren, die sich mit einer Transformation beschäftigt haben. Sie lässt dabei den Leser aber in jedem Kapitel mit Fragen zurück. Nach einiger Zeit des Lesens brennt der Durst nach Antworten so auf den Lippen, dass die Autorin es jedoch schafft, zu einer weiteren Beschäftigung mit dem Thema anzuregen. Insbesondere die in diesem Buch unterbeleuchteten Felder des Geldsystems als strukturellem Wachstumstreiber und die dazugehörigen Lösungskonzepte sowie Transformationsvorschläge zu unseren Sozialsystemen laden zur Beschäftigung ein.

Mit Humor kann man sagen – Das Buch hat im Grunde dieselbe Schwäche wie dieser Blogeintrag: Es gibt keine Antworten. Der große Wert des Buches liegt aber in einer Anregung der Gedanken. Zum Einstieg ist es daher ein wertvoller Beitrag für die Transformation in den Köpfen unserer Gesellschaft.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Seminars „Postwachstumsökonomie“ an der Universität Witten/Herdecke in Zusammenarbeit mit dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.

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