Standpunkte

Kann sozial und ökologisch geformte Technik demokratisch sein?

Schreibe einen Kommentar

Zunächst einmal: Vielen Dank, Sascha Dickel, für die freundliche und sachliche Replik. Nur an einem Punkt verlässt sie diese Tonart: Wenn die nüchterne Analyse naturwissenschaftlicher Fakten unter die Rubrik des „ökologischen Besserwissens“ einsortiert wird. Denn: Welche anderen Rationalitäten entkräften z.B. die Ergebnisse der Klimaforschung? Die natürlichen Begrenzungen unserer Lebensgrundlagen, der Quellen und Senken auf dem Planeten sind auch durch noch so ausgefeilte Logiken unserer Gedanken-Konstruktionen (wie z.B. der kapitalistischen Ökonomie) nicht aus den Angeln zu heben. Bisherige Epochen der Menschheitsgeschichte waren immer gezwungen, die Erfüllung von Bedürfnissen auf das physikalisch und biologisch „Machbare“ einzugrenzen (und diese Grenzen dann sozial auf zum Teil unglaublich ungerechte und gewalttätige Weise für einige Mächtige scheinbar aufzuheben).

Der Traum vom „Reich der Freheit“

Der Traum, den die aktuelle Epoche hatte, war in der Tat, durch menschliche Erfindungskraft und intelligente „Überlistung“ der Begrenzungen der Natur für alle Menschen (und nicht nur einige Privilegierte) den Weg ins Paradies materiellen Überflusses zu öffnen, vom „Reich der Notwendigkeit“ ins „Reich der Freiheit“ zu gelangen: „Jedem nach seinen Bedürfnissen“, die in diesem Traum dann auch nicht von irgendwoher „autoritär“ definiert oder eingeschränkt zu werden bräuchten. Da wäre es dann in der Tat auch wurscht, ob „Profitinteressen oder nerdiger Spieltrieb“ das Ganze antreiben. Gier wäre tatsächlich geil und die Bedenken dagegen rein moralischer Natur, so wie es in vielen frühen Äußerungen der Grünen nachzulesen ist, als einige das Wissen nur ahnten, das wir heute über die Natur-Zerstörung haben.

Denn diese ist keine „Nebenfolge“, die man durch die jeweils nächste Generation technischer Innovationen beheben könnte, wie wir nicht nur theoretisch, sondern ganz handfest empirisch erfahren, nicht nur beim Klima – eine „Jahrhundert-Flut“ folgt z.B. der nächsten. Dabei hat schon der viel zitierte Indianerhäuptling den weißen Männern ins Stammbuch geschrieben, dass man Geld nicht essen kann. Diese glauben jedoch immer noch, dass Technik irgendwie, vorher nicht absehbar, die nötigen Wunder vollbringen wird.

Von der Illusion der „Dematerialisierung“

Dies zeigt sich am Beispiel der Computertechnik: In der Tat kann das Internet dazu beitragen, von der Ökonomie des Besitzens in eine Ökonomie des Tauschens zu gelangen und den negativen sozialen Nebenfolgen stehen auch positive gegenüber, was man dann durch politische Regelungen in eine positive Gesamt-Bilanz umformen könnte. Aber das gilt eben nicht für die mit IT verbundene Illusion der „Dematerialisierung“, schon gar nicht, wenn man das ganze demokratisch organisieren will, was ja heißt, mindestens jedem zweiten der 8 Milliarden Erdbewohner ein entsprechendes Gerät zur Verfügung zu stellen. Schon heute verbraucht das Internet mehr Energie als der gesamte weltweite Flugverkehr, von den Ressourcen an seltenen Stoffen nicht zu reden.

Im Hochrechnen des Energie-, Ressourcen- und Senkenverbrauchs aber sind viele Strategen des Wachstums der Renditen eher schwach: Jetzt sollen auch fast alle ein Auto kriegen oder mindestens darüber frei verfügen können, und so träumt der VW-Manager von weltweit 2,5 bis 3,5 Milliarden Automobilen im Jahr 2100, selbstverständlich Ein-Liter- oder Elektroautos (Perspektive, präsentiert auf der Engineering-Konferenz der IG Metall in Wolfsburg letztes Jahr).

Technik als Subsystem der „Mutter Erde“

Es bleibt uns deshalb wohl nicht erspart, über die Begrenzung der Bedürfnisbefriedigung zu entscheiden, demokratisch hoffentlich (und nicht wie heute, nach „Kaufkraft“ bzw. Zugehörigkeit zu den 1%). Das gilt natürlich zunächst nur für die 25% der Weltbevölkerung in den Industrieländern, die schon seit Jahrzehnten über die Verhältnisse der Natur-Gegebenheiten leben (mit einem „ökologischen Fußabdruck“ in der 5- bis 10-fachen Größenordnung der global verallgemeinerbaren Belastung des Planeten). Denn es geht eben nicht nur um die ethische und soziale Zukunftsfähigkeit, um Verteilung der „vergrößerten Möglichkeiten“ von Menschen, sondern darum, unsere ökonomischen, sozialen und technischen Konstruktionen, auch oder gerade wenn sie ein Maximum an Demokratie ermöglichen, als Subsysteme von „Mutter Erde“ zu bauen, zu begreifen und zu handhaben.

Derzeit aber stellen wir „Natur“ und „Mensch“ als Dichotomie einander gegenüber und propagieren weiterhin Bacons „Herrschaft über die Natur“ bzw. freundlicher ausgedrückt „Natur unter Menschenhand“ (Hubert Markl, „Die Pflicht zur Widernatürlichkeit“) durch Technik. Fast 20 Jahre nach Erscheinen dieses Artikels im „Spiegel“ wissen wir leider, dass sie nicht funktioniert und wohl auch nie funktionieren wird. Deshalb werden wir eine zukunftsfähige Technik leider nicht von der Realität des materiellen und energetischen Mangels auf diesem Planeten entkoppeln – und uns damit auch nicht aus der Verantwortung  stehlen können, diesen Mangel demokratisch, aber bezüglich unserer natürlichen Lebensgrundlagen realistisch zu verwalten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.