Standpunkte

Ein Plan B braucht den sozial-ökologischen Umbau

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Der rote Plan B ist sicherlich ein gutes und wichtiges Projekt. Es ist richtig, die herrschende kapitalistische Wirtschaftsweise, die zunehmende Ungleichheit, das grenzenlose Renditestreben des Kapitals und der Finanzinvestoren als Ursachen der nicht nur sozialen, sondern auch der sich weiter zuspitzenden ökologischen Krisen zu benennen. Ökologischen Umbau gibt es letztlich nicht ohne Veränderung von Eigentumsstrukturen und ohne eine demokratische Kontrolle und Regulierung der Wirtschaft. Die große Frage ist allerdings, wie der Weg dahin ist und wie man anfangen soll. Da bleibt der Plan B meines Erachtens zu abstrakt und geht zu wenig von den realen sozialen und ökonomischen Bedingungen und Problemen, Kräfteverhältnissen und Möglichkeiten aus.

Hans Thie schreibt, die ökologischen Herausforderungen gehörten ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit. Die Wirtschaftsordnung müsse in Frage gestellt werden. Nötig seien spürbare und umfangreiche Umverteilungen von Einkommen, Vermögen und Arbeitszeiten – von oben nach unten. Hans Thie formuliert die Bedingung für einen solchen Wandel richtig, die Menschen würden nur dann mitmachen, „wenn der Übergang zu ökologischem Produzieren und Konsumieren nicht eine Bedrohung, sondern ein Gewinn für das eigene Leben ist.“

Die Mehrheit will einen guten und gut bezahlten Arbeitsplatz

Doch was heißt das konkret? Wir müssen schon von dem ausgehen, was die Menschen selbst als ihre zentralen Interessen behandeln, nicht wie wir sie gerne hätten. Die Mehrheit der Bevölkerung braucht und will zunächst einmal einen möglichst guten, gut bezahlten und sozial abgesicherten Arbeitsplatz. Anhaltende Massenerwerbslosigkeit und Arbeitsplatzunsicherheit, immer mehr nur prekäre Beschäftigung, drohendes Hartz IV usw. schwächen die Position der Beschäftigten, der nachwachsenden Generation und der Erwerbslosen. Sie müssen nehmen, was sie bekommen können. Darauf konzentrieren sie sich, ökologische und auch soziale Kriterien werden in den Hintergrund gedrängt. Vor dem Hintergrund der lang anhaltenden Reallohnverluste großer Teile der Bevölkerung stehen zudem höhere Einkommen in der Priorität deutlich vor kürzeren Arbeitszeiten.

Ein realistisches Konzept sozial-ökologischen Umbaus muss deshalb eine Verbindung hinbekommen mit einer alternativen Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik, die Sicherung und Aufbau neuer guter Arbeitsplätze, höhere Löhne und soziale Sicherheit in Aussicht stellen kann. Erst recht, wenn der ökologische Umbau bestimmte Wirtschaftsbereiche bewusst schrumpfen lassen muss. Dabei reicht es nicht, Industriebeschäftigten als Alternative irgendwelche Billigjobs oder gar nur ein Grundeinkommen anzubieten. Vielmehr geht es um den Aufbau neuer und gut bezahlter Arbeitsplätze in neuen Industrien oder qualifizierten Dienstleistungsbereichen.

Wandel braucht große öffentliche Investitions- und Umbauprogramme

Das wird nur möglich sein mit großen öffentlichen Investitions- und Umbauprogrammen, für den Aufbau neuer Energieversorgung, öffentlicher Verkehrssysteme, umweltverträglicherer Industrie usw. Außerdem wird ein massiver Ausbau und eine Aufwertung sozialstaatlicher Dienstleistungen benötigt. Das wird sich unvermeidlich zunächst im Rahmen weiterhin kapitalistischer Wirtschaftsverhältnisse abspielen müssen, wenngleich es eine politische Schwächung der kapitalistischen Klassen bereits voraussetzt. Wir brauchen dazu eine Verbindung von ökologischer Bewegung, Gewerkschaften und sozialer Bewegung. Nur wenn es gelingt, diese Kräfte in einem Bündnis zusammenzubringen, kann ein sozial-ökologischer Umbau durchgesetzt werden.

Das erfordert Realismus, Rücksicht und Veränderung auf beiden Seiten. Ein Fortführung des bisherigen Wachstumsmodells geht nicht, aber ein Programm des gesamtwirtschaftlichen Schrumpfens geht auch nicht. Die Differenz zum von Hans Thie kritisierten „New Deal“ wird damit eine relative. Wir brauchen einen „Red New Deal“, der eine Veränderung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen und Machtverhältnisse verbindet mit einer Revitalisierung der Realökonomie, mit mehr Beschäftigung und steigenden Masseneinkommen. Das kann nur als ein Umbau funktionieren, in dem die neu aufzubauenden Beschäftigungsbereiche für etliche Jahre auch gesamtwirtschaftlich zu einem Wachstum beitragen, das zugleich ökologisch wie ökonomisch nützlich und notwendig ist. Eine Million weniger Beschäftigte in bestimmten schädlichen Industriebereichen und zwei Millionen mehr in Kitas und Schulen sind per Saldo ein höheres Bruttoinlandsprodukt. Das wäre gut und nicht schlecht.

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