Rezensionen

Maßhalten macht glücklich!

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„Pessimismus in der Analyse, Optimismus im Handeln.“ Dies, so scheint es, ist Reinhard Loskes Credo. Auf 64 Seiten in seinem Buch „Abschied vom Wachstumszwang – Konturen einer Politik der Mäßigung“ skizziert er – eher pessimistisch – die umweltpolitischen Probleme, vor denen wir stehen und umreißt einen möglichen Ausweg, der Optimismus erfordert. Wie der Titel der Niederschrift schon verspricht, sei die Lösung unserer Probleme der „Abschied vom Wachstumszwang“.

Die Probleme sind für Loske offenkundig: Um die Klimaziele zu erreichen, müssten wir weltweit unseren Pro-Kopf-CO2-Ausstoß durchschnittlich um den Faktor 3 verringern. Und dies ohne Einbezug des voraussichtlichen Anstiegs der Bevölkerung.

In der Frage, wie das umzusetzen sei, scheiden sich nach Loske die Geister der grünen Bewegung. Die einen vertrauen auf Technik und Effizienz, die anderen fordern mehr: einen grundlegenden Kultur- und Wertewandel.

Reinhard Loske zählt zu Letzteren. Es reiche nicht aus, allein auf Technik und zunehmende Effizienz zu setzen: „Was nutzt uns die Halbierung des Spritverbrauchs, wenn sich die Anzahl der Autos verdoppelt?“ Grüne Energie, so der Ex-Umweltsenator von Bremen, sei durchaus nützlich und erstrebenswert. Doch auch auf der Nachfrageseite müsse es zu Verbrauchssenkungen kommen. Loske stellt sich einen Struktur-, Kultur- und Lebenswandel hin zu Suffizienz und Maßhalten vor. Geld und materieller Wohlstand mache ab einer bestimmten Einkommensgrenze ohnehin nicht glücklicher. Die Gesellschaft müsse sich vom unbedachten Konsumieren und dem Streben nach „immer mehr“ verabschieden. Und dies nicht nur um der Umwelt willen, sondern auch aus Eigeninteresse. Auch im Verzicht läge das Glück.

Um dies politisch umzusetzen, umreißt er neun „Handlungsfelder einer Politik der Mäßigung“. Hierbei leistet er einen politischen Rundumschlag: Über ein Verbot für Kinderwerbung, Verkürzung der Arbeitszeiten, die Forderung nach einem Grundeinkommen, Förderung gemeinschaftlicher Nutzungungsformen (Car Sharing) bis zu einer Reform des Geldwesens.

Die Voraussetzung hierfür seien allerdings Menschen, die etwas mit sich anzufangen wüssten, „die Dinge gerne selber tun anstatt zu konsumieren“. Um seine politischen Vorschläge umsetzen zu können, müssten wir uns also erst einmal ändern. Dies sei durch Bildung, Erziehung und praktisches Vorleben möglich.

Das Buch setzt an vielen Stellen gleichzeitig an. Es gibt eben nicht nur eine Baustelle. Der Kulturwandel muss allumfassend und an vielen Ecken parallel stattfinden. Da kann man auch nachsehen, dass das Buch an vielen Stellen etwas schwammig ist und nicht ins Detail geht. Das ist auch nicht der Anspruch des Buches. Loske hat keine neuen, revolutionären Gedanken. Er fasst eher zusammen und verschafft einen guten Überblick über die aktuelle Wachstumsdebatte.

Was das Buch besonders macht, ist die politische Anschlussfähigkeit. Ein Wissenschaftler mit langjähriger politischer Erfahrung schreibt ein Buch mit konkreten Handlungsanweisungen für die Politik. Dabei weicht er aber vom politischen Mainstream ab. Das „Wachstumsversprechen“ ist Konsens in allen Parteien. Loske begibt sich mit seinen Thesen auf dünnes Eis. Das macht ihn gerade so sympathisch: Sein Optimismus und sein Mut. Obwohl es jetzt nicht mehr an ihm ist, das Geschriebene auch umzusetzen. Seine politische Karriere hat er vorerst an den Nagel gehängt. Eine Flucht vor der Verantwortung?

Ich denke nicht. Loske setzt sich auf anderem Terrain für die Verbreitung seiner Thesen ein. Der Kulturwandel muss aus der Gesellschaft – „von unten“ – kommen, da ist nicht nur die Politik gefragt. Das macht das Buch besonders deutlich. Es liegt an uns, den „Protagonisten der Suffizienz“, den Wandel voranzutreiben. Das Buch stimmt einen auf jeden Fall optimistisch, dass dies auch umzusetzen ist, ohne dabei unkritisch zu sein.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Seminars „Postwachstumsökonomie“ an der Universität Witten/Herdecke in Zusammenarbeit mit dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.

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