Standpunkte

Transition Town als ein Weg in die Postwachstumsgesellschaft

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Transition Town ist einer der Postwachstumsansätze. Inwiefern stellt er einen Weg zur Postwachstumsgesellschaft dar und inwiefern braucht er Ergänzung durch andere Ansätze? Bevor ich dieser Frage nachgehe, möchte ich zwei Vorbemerkungen einbringen. 

Konkurrenzprinzip als wesentlicher Wachstumstreiber

Erstens, der recht breite Oberbegriff Postwachstum wird u.a. in verschiedenen antikapitalistischen Ansätzen um Solidarische Ökonomie, Commons, Kommunismus (u.a. Demirovic, Exner) diskutiert. Viele Befürworter_innen der Postwachstumsidee argumentieren für eine Gesellschaft, deren Ziel nicht Wirtschaftswachstum ist. Ich glaube, dass einen wesentlichen Wachstumstreiber das Konkurrenzprinzip darstellt. In einer Postwachstumsgesellschaft stünden Menschen deshalb, verkürzt gesagt, nicht mehr über (ihr) Eigentum in einem Konkurrenzverhältnis zueinander. Der Konkurrenzvorteil der einen würde nicht mehr wachsen, wodurch ein Grund für Ausbeutung der anderen wegfiele. Ohne Konkurrenz fehlt eine Basis für Wachstumszwang und Umverteilung von unten nach oben.  Dies meint also eine Gesellschaft, in der die dichotomen Eigentumsverhältnisse von Besitzenden und Besitzlosen nicht diese Dichotomie durch Umverteilung von „unten nach oben“ wachsen lassen, sondern in der es diese Dichotomie erst gar nicht gibt. Damit ist noch nicht geklärt, wie sich Menschen dann aufeinander beziehen.

Kein Transformationsansatz ist vollkommen

Zweitens scheint kein einzelner Transformationsansatz ein umfassender Weltanschauungsansatz zu sein, kein Paradigma ist vollkommen. Deshalb scheint (Offenheit für) Kritik eines Ansatzes an sich selbst eine wesentliche emanzipatorische Methode zu sein, um ideologischen Tendenzen vorzubeugen. Denn seine Inhalte verteidigen und ihnen einen Wahrheitsgehalt zuzusprechen ist unabdingbar, den eigenen Inhalt aber als unhinterfragbare vollkommene Wahrheit zu behandeln, ist autoritär. Jedes Paradigma, so gut es auch sein mag, übersieht etwas, auch Nicht-Intendiertes. Dadurch birgt jedes etwas Herrschaftsförmiges in sich. Deshalb ist es wichtig, dass verschiedene Ansätze aufeinander ergänzend wirken. Sie sollten aber nicht relativistisch nebeneinander stehen, sodass auch widersprüchliche Ansichten akzeptiert würden. Vielmehr sollten sie sich solidarisch kritisieren. Die Stärke des Postwachstumsdiskurses scheint zu sein, dass sich in ihm mehrere Diskurse vereinen, die dadurch miteinander in Diskussion treten. Letztlich kann auch der Transition-Town-Ansatz nur ein Beitrag unter vielen sein. Dieser ist explizit wachstumskritisch, aber gerade eines seiner Prinzipien lautet sogar, dass es keine festen Antworten von Transition Town für Gesellschaftsprobleme gibt. Diese nicht relativistisch gemeinte Offenheit enthält die Möglichkeit über Selbstkritik ideologischen Tendenzen vorzubeugen.

Offenheit des Transformationsansatzes und Vielfalt der Leute

Die relative Offenheit für die Vielfalt der Leute ergänzt sich fruchtbar mit dem Bottom-Up-Ansatz. Unterstützung durch offizielle Politik ist akzeptiert, aber der Antrieb soll von den Menschen selbst kommen. Transition Town Initiativen sind weniger in einer Forderungsposition gegenüber dem Staat, sondern es geht darum, selbst aus der Passivität zu treten und Dinge selber zu machen. In der Praxis auf einen Kiez oder die Gemeinde fixiert, kommen teilweise aus verschiedenen sozialen Milieus Menschen zusammen, um sich in Gesprächen und  in praktischer Weise mit Gesellschaftsproblemen auseinanderzusetzen, darunter mit denen aus dem eigenen Kiez. In der Kreuzberger  Initiative „Kiezwandler“ waren wir eine bunte Gruppe aus z.B. Akademiker_innen, Arbeitslosen, Studierenden, Geringverdienenden, Künstler_innen, allerdings mit recht homogenem kulturellen Hintergrund. Nachbar_innen traten aus ihrer Isolation heraus und begannen, sich selbst zu organisieren und zu verwalten, sich zu politisieren.

In Kreuzberg gab es über mehrere Jahre so viel Engagement, dass ich nur einiges nennen kann. Wöchentlich gab es den „Grünen Dienstag“, eine Abendveranstaltungsreihe inhaltlicher und praktischer Bildung und Vernetzung zu umweltpolitischen Themen, stets mit einem gemeinsam bereiteten klimafreundlichen Buffet. Als weiteren Ort des Zusammentreffens wurde der „Weltraum“ gegründet, ein gemütlicher Nachbarschaftsraum mit Sofas, Küche und Keller. Damit hatten wir einen wichtigen Raum für Treffen, er war Ausgangspunkt vieler Gespräche und Aktionen wie der Planung der Obstbaumwiese im Görlitzer Park, dem Einkochen regionaler Ernte, Kleidertausch- und Stromwechselparties. Im Keller wurde das Gemüse der solidarischen Landwirtschaft von einem Brandenburger Bauernhof gelagert. Die Grenzen des Selbermachens liegen meiner Ansicht nach jedoch darin, dass zwar die Symptome, nicht jedoch die Wurzeln umweltpolitischer Probleme bearbeitet werden können.

Transition Town als Erfahrungsraum einer anderen Gesellschaftsform

Um erfahrbar zu machen, dass die jetzige Gesellschaftsform eben nur eine Form von vielen ist und nicht natürlich, unveränderbar, kann man Marx und Foucault lesen. Unterstützend ist es aber auch, andere Weisen, sich als Menschen aufeinander zu beziehen, in der eigenen Tätigkeit direkt zu erfahren.  Transititon Town lebt ansatzweise Möglichkeiten, sich anders aufeinander zu beziehen als auf ein Ding, eine Vertragspartner_in oder eine Rechtsperson, indem es viele utopische Vorstellungen entwickelt und sich kollektive, basisdemokratisch entwickelte und verwaltete Praktiken (Nachbarschaftsgärten, Haltbarmachen der Ernte, Schenkläden, gemeinsame Werkstätten uvm.) organisiert. Wir merkten, dass jede_r mit den gesellschaftlichen Herausforderungen nicht alleine ist, sondern dass wir zusammen in Absprache der unterschiedlichen Bedürfnisse versuchen, andere Wege zu finden. Wir haben zusammen klimaschonende Lebensweisen ausprobiert und experimentiert, soweit es im Kapitalismus möglich ist. Materiell-praktische Erfahrungen beeinflussen die geistige Einstellung (Marx). Die sehr positive und konstruktive Einstellung im Umgang mit Gesellschaftsproblemen motiviert die Aktiven, weckt außerdem Sehnsucht nach einer anderen Gesellschaftsform und schafft die Bereitschaft, dafür tätig zu werden. Allerdings kann diese Erfahrbarkeit nur ansatzweise funktionieren, da es kaum Richtiges im Falschen gibt und alles von Eigentumsverhältnissen, Warentausch etc. gefärbt ist.

Der im Trantition-Town-Handbuch beschriebene offene Charakter, der verschiedene Menschen und Gruppen miteinander verbindet, bedeutet eine seltene und dringende Stärke für die Linke. Der fehlende Blick auf die Wurzeln (Eigentumsverhältnisse, die Wachstum erzwingen) gesellschaftlicher Probleme statt nur auf die Symptome und ihre damit einhergehende Reproduktion könnte durch diese Offenheit, durch das Auseinandersetzen mit anderen (Postwachstums-)Gruppen ausgeglichen werden.

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